Ein Vortrag für einen Gästeabend von Bruder CPM

Liebe Gäste,

ich freue mich Sie heute im Namen der ehrwürdigen Johannesloge Friedrich zur Standhaftigkeit / Halle S. in unserem Logenhaus herzlich begrüßen zu dürfen.

Es gibt vieles über die Freimaurerei zu schreiben und zu bereden. Deshalb kann mein Vortrag auch nur ein Teil dessen sein, worüber man berichten kann. Es hat also kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Heute soll das Thema meines Vortrages sein: „Die drei Säulen der Freimaurerei – Geselligkeit, Ethik und Ritual.“

Ein dreifaches Selbstverständnis kennzeichnet die Grundzüge einer Freimaurerei, die ihre Akzente unmissverständlich im Sinne von Aufklärung und Humanismus setzt. Dabei sind drei Aspekte gleichrangig miteinander verbunden:

I.

Auf der Basis einer in der Loge eingeübten Kultur der Mitmenschlichkeit ist Freimaurerei die Pflege von Geselligkeit.

Die Logen der Freimaurer sind Freundschaftsbünde, die Menschen miteinander verbinden wollen, die – so wussten schon die „Alten Pflichten“ von 1723 – sich sonst nie begegnet wären.

II.

In der Tradition von Humanismus und Aufklärung sind die Logen der Freimaurer ethisch orientierte Gemeinschaften, in denen gemeinsam nachgedacht werden kann, um Wege zu Lebenssinn und Motivation für moralisches Handeln ausfindig zu machen.

III.

Schließlich bieten die Logen der Freimaurer einen auf Symbole und Rituale gegründeten spirituellen Wahrnehmungs-, Handlungs- und Erfahrungsraum, in dem die Ziele und Ideen des Freimaurerbundes im Bewusstsein und im „Habitus“ der Brüder verankert werden.

(Habitus = Umgangsform einer Person, die Gesamtheit der Vorlieben, Gewohnheiten und dessen Sozialverhalten)

Durch die Zusammenfassung der drei genannten Elemente in einem ganzheitlichen Konzept wird Freimaurerei zu einer Lebenskunst der Praxis, die freundschaftliches Miteinander und ethisch-moralische Daseinsorientierung durch Symbole und Rituale in der Gemeinschaft der Loge sowohl rational erfassbar als auch emotional erlebbar macht.

Freimaurerei ist keineswegs primär Kultgemeinschaft, wie immer wieder „postuliert“ (etwas fordern oder zur Bedingung machen ) wird. Die Logen sind vielmehr ethisch orientierte menschliche Gemeinschaften, in denen sich humanistische Gesinnung und humanitäre Praxis im Sinne einer auch im Alltag tauglichen Lebenskunst entfalten können. Gewiss spielen die Rituale dabei eine große Rolle, aber die Rituale sind nicht die Freimaurerei.

Dieses dreifache Selbstverständnis, dieses Ruhen auf drei Säulen  gleichsam möchte ich nachfolgend erläutern.

Erste Säule: Geselligkeit und Freundschaft

Freimaurerei will ein Freundschaftsbund sein, der über alle weltanschaulichen, politischen, nationalen und sozialen Grenzen hinweg Menschen miteinander verbindet. Die Freimaurer folgen damit ihrer speziellen Tradition, Trennendes zu überwinden, Gegensätze abzubauen, Verständigung und Verständnis zu fördern sowie Menschen zu verbinden, die sich – ich erwähnte es schon – nach Herkunft und Interessenlage sonst sich nicht begegnen würden.

Gerade in der heutigen Zeit sind durch Spezialisierung und Funktionsteilung der modernen Berufs- und Arbeitswelt, durch die Aufspaltung der Gesellschaft in Menschen, die Arbeit haben, und solche, die arbeitslos sind, durch die vielfältigen Migrationsprobleme, durch die Ausdifferenzierung des Konsum- und Freizeitverhaltens, schließlich durch die sozialen Folgen der Corona-Pandemie, neue Schranken zwischen den Menschen entstanden.

Demgegenüber wollen die auf Freundschaft gegründeten Logen Stätten menschlicher Begegnung über alle sozialen und politischen Schranken hinweg sein.

Das Leben einer lebendigen Loge hat viele Seiten und eröffnet damit Zugang für unterschiedliche menschliche Neigungen.

Die Pflege von Geselligkeit und Kultur gehört von Anfang an ebenso dazu wie die geistige Arbeit, das gemeinsame Nachdenken und der brüderliche Dialog. Die rituelle Arbeit, der festliche Umgang mit Brauchtum und Symbolen, hat ebenso Platz darin wie das gemeinsame karitative Handeln.

Viele Logen sind wegen ihrer sozialen Aktivitäten in ihrer Stadt bekannt und geschätzt. So auch in Halle.

Allerdings: Lebendig sind die Logen nur dann, wenn die Brüder sich und ihren Bund als Freimaurer ernst nehmen. Freimaurerei ist, was Freimaurer tun – nicht weniger und nicht mehr. Nichts ist wichtiger als durch engagierte Mitmenschlichkeit glaubwürdig zu sein. Damit sich Freimaurerei als menschliches Miteinander ereignet, ist freilich immer wieder der Mut zu umfassender Begegnung auf der Grundlage der Bruderliebe erforderlich.

Zweite Säule Ethische Orientierung

Als ethisch orientierter Bund ist die Freimaurerei seit jeher werteverpflichtet, und zwar im Sinne einer wirklich praktizierten Moral. Der Bund entwickelt zwar kein eigenes ethisches System und versucht nicht, ethische Überzeugungen in politische Programme zu übertragen.

Dennoch gibt die Freimaurerei mit ihren alten, doch stets aktuellen Wertpositionen Humanität, Brüderlichkeit, Freiheit, Gerechtigkeit, Friedensliebe und Toleranz Orientierungen für das Denken und Handeln ihrer Mitglieder vor.

Im Vergleichen von Realität und Wertmaßstab, in stammtischfernen analytischen Anstrengungen, im gemeinsamen Nachdenken über adäquate Lösungswege und in kritischer Selbstaufklärung sollen Verhaltensweisen und Umgangsstile eingeübt werden, die ein Umsetzen ethischer Überzeugungen in die moralische Lebenspraxis des einzelnen Freimaurers heutzutage bewirken.

Unsere Verfassung beschreibt, welche Elemente für die ethische Orientierung der Freimaurer wesentlich sind:

„In Achtung vor der Würde jedes Menschen treten sie ein für die freie Entfaltung der Persönlichkeit und für Brüderlichkeit, Toleranz und Hilfsbereitschaft sowie Erziehung hierzu.“

„Glaubens-, Gewissen- und Denkfreiheit sind den Freimaurern höchstes Gut. Freie Meinungsäußerung im Rahmen der Freimaurerischen Ordnung ist Voraussetzung freimaurerischer Arbeit.“

„Die Freimaurer sind durch ihr gemeinsames Streben nach humanitärer Geisteshaltung miteinander verbunden; sie bilden keine Glaubensgemeinschaft“.

Die Allgemeinheit dieser Wertvorstellungen darf nicht irritieren, auch nicht die Tatsache, dass die Freimaurerei diese Werte mit anderen Gruppen teilt. Das Spezielle im Freimaurerbund ist die Methode der Umsetzung. Dabei kommt dem brüderlichen Gespräch große Bedeutung zu, denn „Nichts geht über das laut denken mit einem Freunde“ – auf diese gelungene Formel hat Lessing dies Prinzip gebracht.

Ein solcher Diskurs soll Möglichkeiten schaffen, sich zu informieren, sich zu orientieren, eigene persönliche und freimaurerische Identitäten zu entwickeln und sich gemeinsam aus Vorurteilen herauszudenken.

Vor allem kommt es darauf an, eine neue Sensibilität für Gesellschaft und soziales Umfeld zu schaffen. Freimaurer gehen davon aus, dass richtiges Fragen wichtiger ist als vorschnelles, zu kurz gegriffenes Antworten. Damit dies gelingen kann, ist freilich eine Verpflichtung zu kritischer Haltung erforderlich. Eine solche fällt nicht leicht.

Doch auch hier kann an Traditionen der Aufklärung und an älteres freimaurerisches Denken angeknüpft werden, an die Erkenntnis nämlich, dass auch das Bekenntnis zu Menschlichkeit und Brüderlichkeit zum Dogma erstarren kann, wo die Bereitschaft fehlt, auf kritische Argumente zu hören und von der Erfahrung zu lernen.

(Dogma = Meinung, Lehrsatz, Beschluss, Verordnung; feststehende Definition grundlegend normative Lehraussage, deren Wahrheitsanspruch als unumstößlich festgestellt wird)

Mit seiner ethischen Orientierung und den auf Ethik und Moral gerichteten Diskursen befindet sich der Freimaurer an der Schnittstelle zwischen Freimaurerei und Gesellschaft, und es ist zu vermuten, dass es gerade die Art und Weise ist, wie die Freimaurer heute mit dieser Schnittstelle zwischen Drinnen und Draußen umgehen, von der die Zukunft des Freimaurerbundes abhängt:

Wer öffentlich ernst genommen werden will, muss selbst das Öffentliche ernst nehmen.

Neben der Vermittlung solcher Orientierungen für die Brüder Freimaurer und dem Schaffen von Gesprächsräumen zu ihrer Erörterung innerhalb der Loge, gibt es ein weiteres Handlungsfeld freimaurerischer Gruppen, das ebenso sinnvoll wie nötig ist: das Gespräch mit der Öffentlichkeit.

Hier sind viele Varianten möglich. Auf kommunaler Ebene beispielsweise könnte und sollte sich eine lebendige Loge in das Leben ihrer Stadt einbringen. Sie kann zum Forum toleranter Auseinandersetzung um die Lösung örtlicher Probleme werden.

Sie kann Plattform sein für das Benennen humanitärer Missstände und für die Suche nach konstruktiven Ansätzen, diese Missstände zu überwinden.

Noch zu erwähnen ist es, das Freimaurerei keine politische Aktionsgruppe ist. Wer meint, aus einer freimaurerischen Vereinigung eine parteiische Gruppierung machen zu können, riskiert, dass sich die Freimaurerei in konkurrierende Fraktionen auflöst und der Bund schließlich gänzlich zerfällt.

Auch ist die Freimaurerei kein Geheimbund. Denn jede Loge und deren Vorstände sind im Vereinsregister eines jeden Amtsgerichtes eingetragen. Mit Namen, Ziele etc..

Drittens schließlich Säule drei: Symbole und Rituale – der spirituelle Erfahrungsraum

Symbole und Rituale spielen eine große Rolle in der FreimaurereiDas Ritual ist zwar keineswegs die ganze Freimaurerei, doch es ist das, was die Freimaurerei von anderen Bünden mit ethischer Zielsetzung (wie Lyons oder Rotary etwa) unterscheidbar macht.

Das Ritual ist ein spezifisches Medium der Kommunikation:

  • Es vermittelt Denkanstöße,
  • es öffnet das Bewusstsein des Maurers für ein Wahrnehmen bisher verborgen gebliebener Schichten der Persönlichkeit,
  • es lehrt durch Symbole und rituelle Handlungen und
  • es rundet so die soziale und diskursethische Praxis der Loge durch eine die Gesamtperson des Bruders erfassende spirituelle Dimension ab.

Gleichzeitig muss jedoch deutlich gesagt werden

  • Das Ritual besitzt keinen Offenbarungscharakter,
  • Es vermittelt keine Heilslehren und hat keine magische Qualität.
  • Insbesondere begründet es keine Religion und sollte auch keine ersatzreligiösen Funktionen übernehmen.

Die Zeit eines Freimaurers

Das Mittel, die Zeit zu gestalten, ist ihre Gliederung durch herausgehobene Haltepunkte.Die Rituale der Freimaurer sollen solche Haltepunkte sein, Haltepunkte, zurückzutreten aus den tagtäglichen, oft belastenden Rhythmen der Alltagszeit.

„Indem der Freimaurer in diesen Pausen ganz aus der immer nur vorwärtsdrängenden Hast zurücktritt, gewinnt er Kontakt mit einem tieferem, im Zeitlosen ruhenden Lebensgrund und kehrt aus ihm nicht nur ausgeruht, sondern wirklich verjüngt in den zeitlichen Ablauf des Alltags zurück“.

Die im Ritual präsente spirituelle Dimension der Freimaurerei kann, aber muss in keiner Weise religiös oder gar esoterisch begriffen werden.

Zur Spiritualität des Freimaurers gehört vor allem die Motivation, sich mit Sinn- und Wertfragen des Daseins, der Welt und der Menschen und besonders der eigenen Existenz und seiner Selbstverwirklichung im Leben zu beschäftigen.

Eine so erlebte Spiritualität führt zur Erfahrung geistig-emotionaler Qualitäten wie Liebe, Mitgefühl, Verantwortung, Sorge für andere, Geduld, Toleranz, Demut, Vergebung, Zufriedenheit und Harmonie, alles Aspekte des Lebens und der menschlichen Wahrnehmung, die über eine rein materialistische Sicht der Welt hinausgehen, ohne notwendigerweise den Glauben an eine übernatürliche Wirklichkeit oder ein göttliches Wesen vorauszusetzen.

Das Ritual bekräftigt die für Bund und Brüder unverzichtbaren Gestaltungsprinzipien der Freimaurerei – Weisheit, Stärke und Schönheit –, die dem Freimaurer allerdings nicht zufallen, sondern erarbeitet werden müssen.

  • Weisheit meint wertbezogene Vernunft, intellektuelle Klarheit, Redlichkeit der geistigen Vermittlung, Reflektiertheit, skeptisches Hinterfragen, Erkennen der eigenen Grenzen, Bescheidenheit, Besonnenheit, Wissen darum, dass törichtes Daherreden und Provozieren um jeden Preis nicht nur die eigene Würde beschädigt, sondern auch Diebstahl der begrenzten Lebenszeit anderer ist.
  • Stärke bedeutet Tatkraft, bedeutet das konstruktive Vermögen, Ideen auch umzusetzen. Weisheit allein reicht nicht aus, Sinn genügt nicht, wenn nicht sinnvoll gehandelt wird. „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“, so kurz und knapp beschied bekanntlich Erich Kästner die wortreich Ausufernden.
  • Wie die Stärke, so ist neben der Weisheit auch die Schönheit unverzichtbar als Gestaltungsprinzip des Freimaurerbundes und Maßstab für den brüderlichen Habitus, als Prinzip, das ausgehend vom Ästhetischen, von der apollinische Dimension, von der Schönheit der Symbole und Rituale, von der Musik im Tempel und bei der Tafel hinüber reicht zur Lebenskunst und Lebenskultur, worin sich ja Freimaurerei – wenn sie gelingt – als „Königliche Kunst“ erst vollendet.

Zum Abschluss:

Freimaurerei kann Vieles sein und ist auch in der Geschichte des Bundes Vieles gewesen.

Das an Humanismus und Aufklärung orientierte Konzept der Freimaurerei scheint aus meiner Sicht den Herausforderungen der Gegenwart am besten gewachsen zu sein.

Freundschaft, Ethik, Ritual: Eine sich in diesem Gestaltungsdreieck verstehende und praktisch umsetzende humanistische Freimaurerei ist plausibel und in sich geschlossen. Sie kann zu einer klaren Identität im Inneren des Bundes führen und ist leicht nach außen zu vermitteln.

Und sie würde sich auch durch die Art und Weise ihrer Konzeption und Praxis quasi von selbst gegen Verschwörungsunterstellungen immunisieren.

Liebe Gäste, ich komme nun zum Schluss meines Vortrages. Ich hoffe ich habe Sie nicht gelangweilt und bedanke mich für ihr Gehör.

Im Anschluss meines Vortrages haben Sie die Möglichkeit, uns Fragen zu stellen. Wir sind für Sie da. Scheuen Sie sich bitte nicht.

Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.

Anmerkung:

Die Abfolge der drei Grade der Freimaurerei und die dazu gehörenden Übergangsriten der Aufnahme, Beförderung und Erhebung spiegeln wechselnde Lebenssituationen, denn:

„Des Maurers Wandeln, es gleicht dem Leben“

Johann Wolfgang von Goethe https://de.wikipedia.org/wiki/Symbolum

Die in sich abgeschlossenen und auf sinnvolle Weise nicht erweiterbaren Gradstufen, mit denen es nach meiner Auffassung in der Humanistischen Freimaurerei sein Bewenden hat, schaffen Raum für Reflexion über sich verändernde existenzielle Befindlichkeiten des Menschen und bieten symbolisch-rituelle Anstöße dazu an:

  • Lehrling zu sein bedeutet zu beginnen, heißt, sich seiner selbst bewusst zu werden, sich zu vergegenwärtigen, über welche Ressourcen man verfügt, zu wissen, was man will und an welchen Leitvorstellungen man sich orientiert.
  • Geselle zu sein meint, sich in seinem aktuellen Lebenslauf aktiv zu verorten, sich in der Welt zu orientieren, Beziehungen zu anderen Menschen aufzunehmen und mit ihnen innerhalb und außerhalb der Freimaurerei gemeinsam zu handeln.
  • Meister werden heißt, den Verlauf des bisherigen Lebens kritisch anzunehmen, sein Ende zu bedenken, die Konfrontation mit Lebenskrisen und Tod auszuhalten und angesichts der Transzendenz neue Möglichkeiten zu erkennen.

Foto von Alex Azabache von Pexels